Michelle Tea, die queere Literatin aus San Francisco mit Wurzeln in der Punk- und Riot-Grrrl-Bewegung, hat mit ihren Memoiren zur Elternschaft ein eindrucksvolles Werk geschaffen, das weder romantisiert noch belehrt – sondern entwaffnend ehrlich, roh und humorvoll über das Elternwerden erzählt. In ihrem neuesten Buch wirft sie einen ungewöhnlichen Blick auf ein Thema, das sonst allzu oft von Normativität, Heteronormativität und „Momfluencer“-Ästhetik dominiert wird.

Von der Subkultur zur Kinderkrippe

Bekannt wurde Michelle Tea in den 1990ern mit autobiografischen Romanen wie Valencia oder The Chelsea Whistle, in denen sie das Leben als queere Frau, Sexarbeiterin und Künstlerin porträtierte – direkt, wild und oft poetisch. Ihre Stimme ist seit jeher unbequem und kompromisslos, ein Echo ihrer Herkunft aus der Arbeiterklasse und der Subkulturen.

In ihren Elternschafts-Memoiren, oft unter dem englischen Titel Knocking Myself Up: A Memoir of My (In)Fertility veröffentlicht, beschreibt sie den komplexen, oft schmerzhaften Weg zur Mutterschaft als queere Frau ohne festen Partner. Anstatt in eine biologische oder gesellschaftlich „vorbereitete“ Rolle zu schlüpfen, kämpft Tea sich durch Fruchtbarkeitskliniken, hormonelle Behandlungen, bürokratische Hürden – und ihre eigenen Zweifel.

Queere Familienrealitäten

Tea schreibt nicht nur über Schwangerschaft, sondern über eine ganz eigene Definition von Familie. Ihr Weg zur Elternschaft ist geprägt von Wahlverwandtschaften, queerer Solidarität und feministischer Selbstermächtigung. Unterstützt von Freund*innen, ihrer damaligen Partnerin und einem tiefen Wunsch nach einem Kind, reflektiert sie auch die politische Dimension des Kinderkriegens außerhalb der heteronormativen Konventionen.

Dabei bleibt sie immer schonungslos ehrlich: über die Einsamkeit in der Kinderwunschklinik, die Angst vor dem Scheitern, die medizinischen Eingriffe, aber auch über die ekstatische Freude, ein neues Leben zu tragen. Ihre Sprache ist schnörkellos, sarkastisch, manchmal zärtlich – und stets getragen von ihrer einzigartigen Perspektive.

Ein Gegenentwurf zum klassischen „Momoir“

Michelle Teas Memoiren sind ein Gegenentwurf zur typischen Elternliteratur. Sie lässt keine Idylle entstehen, sondern zeigt die Ambivalenz, das Chaos, die politischen Implikationen und das Persönliche. Was passiert, wenn Punk auf Stillen trifft? Wenn eine queere Frau sich zwischen Biologie und Begehren neu positionieren muss?

Diese Memoiren sind nicht nur ein Beitrag zur queeren Literatur, sondern auch ein Plädoyer für mehr Offenheit in Fragen der Reproduktion, der Familie und der Selbstbestimmung. Tea zeigt, dass Elternschaft nicht angepasst sein muss, sondern auch radikal, unbequem und voller Widersprüche sein darf – eben ganz so wie das Leben selbst.