Seit dem Brexit-Referendum 2016 ist ein Satz zum geflügelten Wort geworden: „London will seinen Brexit-Kuchen haben und ihn auch essen.“ Die Redewendung – im Englischen „to have one’s cake and eat it too“ – beschreibt treffend den Wunsch Großbritanniens, die Vorteile einer EU-Mitgliedschaft zu behalten, während es gleichzeitig formell aus der Union austritt. Doch lässt sich dieser politische Spagat dauerhaft aufrechterhalten?

Der Ursprung der Redewendung

Schon während der Brexit-Kampagne machten sich viele Beobachter über die unrealistischen Vorstellungen der Brexit-Befürworter lustig. Großbritannien wolle den Binnenmarkt verlassen, aber dennoch freien Handel mit der EU betreiben – ohne sich an gemeinsame Regeln zu halten. Es wollte die Grenzen kontrollieren, aber trotzdem Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften aus der EU behalten. In der Praxis zeigte sich schnell: Das ist leichter gesagt als getan.

Realitätscheck nach dem Austritt

Seit dem offiziellen Austritt Großbritanniens aus der EU Anfang 2020 sind die Folgen deutlich spürbar. Der Handel mit der EU ist komplizierter geworden, Lieferketten wurden gestört, und viele Unternehmen kämpfen mit zusätzlichen Bürokratiehürden. Auch britische Universitäten und Forschungsinstitute spüren den Wegfall von EU-Fördermitteln. Gleichzeitig bemüht sich die britische Regierung, neue Handelsabkommen zu schließen – mit mäßigem Erfolg.

Sonderweg oder Selbsttäuschung?

Immer wieder versucht die britische Regierung, Sonderregeln mit der EU auszuhandeln, etwa in Nordirland oder im Finanzdienstleistungssektor. Dabei entsteht der Eindruck, dass London weiterhin die Vorteile einer engen Anbindung will – ohne die dazugehörigen Verpflichtungen. Kritiker sprechen von politischer Realitätsverweigerung: Der Brexit sei ein ideologischer Schritt gewesen, der nun pragmatisch verwaltet werden müsse – doch der politische Wille dazu fehlt häufig.

„Den Kuchen haben und ihn auch essen“ – dieser Wunsch mag menschlich nachvollziehbar sein, ist aber politisch schwer umsetzbar. Der Brexit hat gezeigt, dass Souveränität und wirtschaftliche Integration sich nicht beliebig kombinieren lassen. London steht nun vor der Herausforderung, sich ehrlich mit den Konsequenzen auseinanderzusetzen – und einen Kurs zu finden, der nicht nur Wunschdenken bedient, sondern auch realistisch tragfähig ist.